Wie im Flug: Deutschlands bahnbrechendes Cannabisreformgesetz (CanG) feiert seinen ersten Jahrestag
Diese Woche jährt sich Deutschlands bahnbrechendes Cannabisreformgesetz (CanG) zum ersten Mal. Seit dem 1. April 2024 hat Deutschland Hunderte Millionen Euro in den medizinischen Cannabissektor investiert, Hunderttausende Strafverfolgungen vermieden und Millionen von Bürgern erstmals das Recht auf legalen Cannabiskonsum gewährt. Die Reform bleibt jedoch umstritten und hochpolitisch. Während die cannabisfeindliche Christlich Demokratische Union/Christlich Soziale Union (CDU/CSU) und die cannabisfreundliche Sozialdemokratische Partei (SPD) ihre Gespräche über die Bildung einer Koalitionsregierung fortsetzen, bleibt die Zukunft der deutschen Cannabisindustrie ungewiss. Unabhängig davon, ob die neue Koalition versucht, das CanG aufzuheben, hat das Gesetz bereits jetzt nachhaltige Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft. Ein Jahr später scheint es schwer zu sein, den Geist wieder in die Flasche zu bekommen.
Die Auswirkungen des Cannabisgesetzes auf Deutschland
Das Cannabis-Kontrollgesetz (CanG), das am 1. April 2024 in Kraft trat, erlaubt Erwachsenen den legalen Besitz, Konsum und Anbau von bis zu drei Cannabispflanzen zu Hause. Weitere Regelungen, die am 1. Juli 2024 in Kraft traten, ermöglichten die Gründung gemeinnütziger Anbauvereine, deren Mitglieder Cannabis für den Freizeitgebrauch anbauen und vertreiben durften. Deutschland ist zwar nicht das erste europäische Land, das Cannabis für den Freizeitgebrauch flächendeckend legalisiert hat, doch dieser politische Kurswechsel ist zweifellos einer der bedeutendsten auf dem Kontinent.
Einer der einflussreichsten Aspekte des Gesetzes – insbesondere aus wirtschaftlicher Sicht – war die Streichung von Cannabis von der Liste der Betäubungsmittel, was einen Boom der deutschen medizinischen Cannabisindustrie auslöste. Laut dem Bundesverband der Deutschen Cannabisindustrie (BvCW) hat das Gesetz das Wachstum in drei Schlüsselbereichen vorangetrieben.
Medizinisches Cannabis
Das deutsche medizinische Cannabisprogramm hat sich als größter Gewinner des neuen Cannabisgesetzes herausgestellt. Schätzungen zufolge dürfte die Branche im Jahr 2024 Investitionen in Höhe von 300 Millionen Euro anziehen, davon fließen rund 240 Millionen Euro in den florierenden medizinischen Markt. Der Verband prognostiziert zudem, dass der Umsatz der Branche bis 2025 eine Milliarde Euro erreichen könnte.
Während dies eindeutig den Unternehmen zugute kam, argumentiert die „Federal Association of Pharmaceutical Cannabinoid Companies (BPC)“, dass sich dadurch auch die Patientenversorgung verbessert habe.
„Die erheblichen Investitionen in die medizinische Cannabisindustrie unterstreichen deren wachsende Bedeutung für eine nachhaltige Gesundheitsversorgung in Deutschland. Diese starke Entwicklung hat wesentlich dazu beigetragen, Patienten Zugang zu hochwertigen, garantierten Cannabinoid-basierten Behandlungen zu ermöglichen“, sagte Antonia Menzel, Vorsitzende des BPC.
Die neuesten offiziellen Importdaten spiegeln diese rasante Marktexpansion wider, von der nicht nur inländische Cannabiskliniken, sondern auch internationale Anbieter profitieren. Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) importierte Deutschland im Jahr 2024 über 70 Tonnen getrocknete Cannabisblüten für medizinische und wissenschaftliche Zwecke – mehr als doppelt so viel wie im Vorjahr (32 Tonnen).
Allein im vierten Quartal 2024 importierte Deutschland 31.691 kg getrocknete Cannabisblüten, ein Anstieg von 53 % gegenüber den 20.654 kg des Vorquartals. Im Vergleich zum vierten Quartal 2023 (vor Inkrafttreten des Cannabisgesetzes) stiegen die Importe um erstaunliche 272 %.
Unabhängige Daten von Cannabisunternehmen untermauern diesen Trend. Anfang des Jahres meldete die Bloomwell Group, einer der größten deutschen Anbieter von medizinischem Cannabis, einen **Anstieg der von Cannabis-Apotheken erhaltenen Rezepte von März bis Dezember 2024 um 1.000 %** nach den Gesetzesänderungen.
Hausanbau & Anbauverbände
Laut vorläufigen Daten aus dem kommenden European Cannabis Report: 10. Ausgabe von Prohibition Partners wurden bis März 2025 in ganz Deutschland über 500 Anträge für Cannabisanbauverbände eingereicht, von denen nur etwa 190 genehmigt wurden. Diese Verbände ermöglichen erwachsenen Mitgliedern den legalen Bezug von Cannabis über ihre Mitgliedschaft.
Die Bundesländer mit den meisten erteilten Genehmigungen sind Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, die zusammen rund 60 Prozent aller in Deutschland erteilten Genehmigungen auf sich vereinen.
Darüber hinaus stellt der BvCW einen „Boom“ beim Eigenanbau fest, der den Verkauf von Saatgut, Düngemitteln, Wachstumslampen und anderer Ausrüstung ankurbelt.
Diese Produkte waren innerhalb von Wochen oder Monaten ausverkauft. In einer repräsentativen Umfrage äußerten 11 % der Teilnehmer Interesse am Cannabisanbau zu Hause. Das neue Gesetz hat Arbeitsplätze geschaffen und die Wirtschaft angekurbelt.
Rückgang der Kriminalität
Ein zentrales Argument der Ampelkoalition (SPD, Grüne, FDP) bei der Durchsetzung des CanG war, dass es die Kriminalität senken, den Schwarzmarkt eindämmen und es den Strafverfolgungsbehörden ermöglichen würde, sich auf schwerwiegendere Straftaten zu konzentrieren.
Einer der größten Erfolge des Gesetzes ist seine Auswirkung auf das Strafrechtssystem. Die Legalisierung ermöglichte es den deutschen Behörden, Ressourcen für die Bekämpfung schwerer Kriminalität einzusetzen. Laut dem Spiegel konnten seit der Teillegalisierung rund 100.000 Strafverfolgungen vermieden werden.
In der Veröffentlichung heißt es: „In Bayern – der Cannabis-kritischsten Region – sanken die Cannabis-bezogenen Straftaten im Jahr 2024 um 56 % auf 15.270 Fälle. In Nordrhein-Westfalen sanken derartige Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte (53 %).“
Weitere dem Spiegel vorliegende Polizei- und Kriminalstatistiken zeigen, dass die Zahl der Drogendelikte in Deutschland im Jahr 2024 um etwa ein Drittel zurückging, während die bundesweite Kriminalitätsrate insgesamt um 1,7 Prozent sank.
„Es gibt keine Hinweise darauf, dass das Gesetz zu einem ‚Anstieg der Drogenkriminalität‘ oder anderen Katastrophen geführt hat, wie manche in CDU/CSU-Kreisen behaupten“, heißt es in dem Bericht.
Eine frühere Analyse des Instituts für Wettbewerbsökonomie der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf schätzte, dass die Legalisierung von Cannabis für Erwachsene dem deutschen Polizei- und Justizsystem jährlich bis zu 1,3 Milliarden Euro einsparen könnte.
Das Innenministerium wies diese Einschätzung jedoch mit der Begründung zurück, es gebe „keine Beweise dafür, dass die teilweise Legalisierung den illegalen Markt unterdrückt oder die Nachfrage verringert hat“.
Diese Haltung scheint darauf zu beruhen, dass die Drogenkriminalität – vor allem die „Konsumdelikte“ – seit der Legalisierung des Konsums um 33 % zurückgegangen ist. Gleichzeitig registrierten die Behörden rund 1.000 Verstöße gegen das neue Gesetz, die meisten davon im Zusammenhang mit Handel, Schmuggel und dem Besitz illegaler Mengen.
Einige Strafverfolgungsbeamte argumentieren, dass das Gesetz dringend überarbeitet werden müsse. Alexander Poetz, stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (GdP), forderte die künftige Bundesregierung auf, das Gesetz rasch zu ändern.
„Solange die Gesetze unverändert bleiben, wird der Schwarzmarkt bestehen bleiben, und Jugendschutz und Verkehrssicherheit können nicht gewährleistet werden. Die organisierte Kriminalität nutzt Gesetzeslücken aus. Die Teillegalisierung hat die Arbeitsbelastung der Polizei nicht wesentlich reduziert. Gleichzeitig sind erhebliche Investitionen in moderne Detektionsgeräte erforderlich“, sagte Poetz.
Öffentliche Wahrnehmung
Eine aktuelle Umfrage des globalen Saatgutunternehmens Royal Queen Seeds ergab, dass 51 % der deutschen Eltern glauben, selbst angebautes Cannabis sei sicherer als auf der Straße gekauftes Cannabis (im Vergleich zu 57 % weltweit).
40 Prozent der befragten deutschen Erwachsenen befürworten die Reform. Senioren und Rentner ab 65 Jahren sind am skeptischsten, während die unter 40-Jährigen sie eher unterstützen. Fast 50 Prozent glauben, dass die neuen Regelungen das öffentliche Bewusstsein für Cannabis verbessern werden.
Mittlerweile planen 41 % der deutschen Cannabiskonsumenten, im Jahr 2025 ihr eigenes Cannabis anzubauen. Dabei legen 77 % der Heimanbauer Wert auf den Eigenanbau und 75 % halten den selbst angebauten Cannabis für sicherer.
Eine separate YouGov-Umfrage unter über 2.000 Teilnehmern ergab, dass 45 % der Deutschen mit einem Arzt über medizinisches Cannabis sprechen würden. Während nur 7 % dies taten, gaben weitere 38 % an, dies zu tun, wenn es medizinisch notwendig wäre.
In den meisten Fällen leiten Patienten diese Gespräche ein – nicht Ärzte. Nur 2 % der Erwachsenen im Alter von 45 bis 54 Jahren und 1,2 % der über 55-Jährigen gaben an, dass ihre Ärzte eine Cannabistherapie vorgeschlagen hätten. In jüngeren Bevölkerungsgruppen waren die Raten etwas höher: Bei 5,8 % der 25- bis 34-Jährigen und 5,3 % der 35- bis 44-Jährigen wurde das Thema von Ärzten angesprochen.
Trotz zunehmender Akzeptanz bleibt Stigmatisierung ein Hindernis. Fast 6 % der Befragten gaben an, aus Angst vor Verurteilungen nicht mit Ärzten über Cannabis zu sprechen. Jüngere Generationen sind jedoch proaktiver: 49 % der unter 34-Jährigen gaben an, bei Bedarf sofort ihren Arzt zu medizinischem Cannabis zu konsultieren.
Abschluss
Nach einem Jahr hat sich die Cannabislegalisierung in Deutschland in vielerlei Hinsicht als erfolgreich erwiesen. Zwar gab es bei der vollständigen Umsetzung einige Hürden – darunter Verzögerungen bei regionalen Pilotversuchen für den Einzelhandel für Erwachsene –, doch die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung hat Berichten zufolge begonnen, Anträge entgegenzunehmen. Das bedeutet, dass die lang erwarteten Pilotprojekte bald starten könnten.
Insgesamt hat das CanG die Wirtschaft angekurbelt, unnötige Strafverfolgungen reduziert und die öffentliche Meinung verändert. Unabhängig davon, ob die nächste Regierung das Gesetz ändert oder beibehält, sind seine Auswirkungen bereits jetzt unbestreitbar.
Beitragszeit: 09.04.2025